Maschinenkreativität

Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist. Eine künstliche Intelligenz dürfte daher als „kreativ“ bezeichnet werden, denn sie schafft Neues und Originelles. Auch hat ein KI-Modell eine für sie charakteristische Berechnungsmethode und bestimmende (deterministische) Algorithmen, die auf Eingabeaufforderungen (Prompt=Umweltbedingung) neu generierte Ausgaben „schafft“.
Das „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache“ fasst die Bedeutungen des Begriffs „Kreativität“ zusammen als einerseits bildungssprachlich „schöpferische Kraft und kreatives Vermögen“ und andererseits sprachwissenschaftlich „mit der sprachlichen Kompetenz verbundene Fähigkeit, neue, nie gehörte Sätze zu bilden und zu verstehen.

Die maschinelle Intelligenz eines Sprachmodells hat eine Sprachkompetenz, denn versteht die Bedeutung der Wörter und Sätze der Eingabeprompts und formuliert eigenständig, syntaktisch korrekte Antworten. Die Ausgaben sind „neu“ in dem Sinne, dass das Sprachmodell nicht auf Textblöcke einer Datenbank zurückgreift, sondern Wortkombinationen zusammenfügt, die der Sprachsyntax und den wahrscheinlichen Inhalten und Bedeutung folgt.

Nach den Kreativitätskriterien „neu“ und „originell“ ist somit auch kein semantisches Verständnis der Aufgaben erforderlich.

Erst bei den weiteren Kriterien „nützlich“ und „brauchbar“ muss eine inhaltliche Bewertung vorgenommen werden. Hierzu müssten dem KI-Modell statistische Daten vorlegen, nach denen sie die Nützlichkeit und Brauchbarkeit einschätzen kann. Da die zuvor genannten Kriterien für neu und originell allerdings implizieren, dass eben gerade keine Erfahrungswerte und Wahrscheinlichkeiten vorliegen, müsste auch neue Kriterien für die Brauchbarkeit formuliert und vorliegendes Datenmaterial in einen neuen Bedeutungszusammenhang ausgewertet werden, wozu dann die Aufgabenstellung inhaltlich (semantisch) verstanden werden muss.

Eine inhaltliche Bewertung der Ergebnisse im Sinne der geforderten Nützlichkeit und Brauchbarkeit kann die Maschine also nicht vornehmen, sobald zu neuartigen Lösungen keine statistischen Daten vorliegen. Die letztendliche Entscheidung, ob eine KI-Lösung „kreativ“ ist, muss daher der auch semantisch verstehende Mensch im Einzelfall vornehmen.